Ein Einhorn im Menschenkostüm: Wie es für mich ist, hochsensibel zu sein

Lisa Albrecht
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„Ich bin's doch nur“, denke ich völlig entnervt und lasse die Haustür hinter mir zufallen. Unsere Hündin bellt sich die Seele aus dem Leib, obwohl sie doch genau weiß, dass ich definitiv kein Einbrecher bin. Ich drücke die Küchentür auf und werde nun mit einem freudigen Jaulen begrüßt. „Ruhig Blut“, krächze ich und es scheint zu wirken. Meine Hündin schaltet um, interessiert sich nur noch für meine Einkaufstaschen und beschnüffelt jeden Millimeter des Stoffs. Um meine Stimme wiederzubeleben, trinke ich einen Schluck Wasser. Viel besser.

Hochsensibel im Alltag

Kaum habe ich angefangen, meinen Einkauf auszupacken, klingelt unser Telefon. Ich sprinte in den Flur, um nachzuschauen, wer mich anruft. Ich habe eine klare Prioritätenliste, wann ich auf jeden Fall dran gehe und wann vielleicht auch nicht. „Mama“, lese auf dem Display und nehme ab. Nach einigen „Mhhs, ahas, okays, hhmms und neins“ meinerseits ist die Frage geklärt, welches Saatgut wir austauschen möchten und wohin die Erdbeeren gestellt werden können.

So, jetzt noch der Einkauf. Die leeren Gläser füllen sich, auch der Vorratsschrank bekommt eine bessere Laune. Nur ich nicht. Ich beschließe, einen Tee zu trinken. Während ich darauf warte, dass das Wasser den Siedepunkt erreicht, sehne ich mich nach einer kurzen Auszeit. Ich lasse mich erschöpft auf den Küchenstuhl fallen, lege meinen Kopf auf der Tischplatte ab und spüre eine angenehme Kühle auf meiner Stirn. Wie von selbst wechseln meine Augen in den Ruhemodus und die Lider gehen zu. Ich weiß, dass das eine gefährliche Position ist. Einige Minuten länger und ich würde einnicken.

Hochsensibel im Alltag
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So viel ist einfach zu viel

Dieser krasse Wetterwechsel setzt mir ganz schön zu. Der Temperaturanstieg von gefühlt 10 Grad (von gestern auf heute) ist einfach zu viel. Ich höre in mich hinein und spüre, wie meine Sinne eine wilde Party feiern und mein Kopf dabei der einzige ist, der nicht eingeladen ist! Ich bin total überfordert, überreizt und völlig an meinem Limit. Ich gebe zu: Ich habe es diesmal nicht geschafft, meine Handbremse rechtzeitig anzuziehen. Manchmal frage ich mich, ob ich als hochsensible Person nicht eigentlich ein Einhorn im Menschenkostüm bin – ich fühle mich so anders! Kommen bei mir mehrere Dinge zusammen, bin ich anschließend k.o. Dabei müssen es noch nicht einmal besonders herausfordernde Dinge sein, sondern banale Alltagssachen reichen völlig aus.

Während viele Menschen sich nach einem Einkauf oder Bummel in der Stadt aufgeladen fühlen, bin ich erledigt. Es waren zu viele Geräusche, Details und Bilder, die ich aufgesaugt habe und nun verarbeiten muss. Intensive Gespräche erzeugen eine Dauerschleife in meinem Kopf, leider klemmt dann auch die Stopptaste. Habe ich einen Termin, bin ich bereits Tage davor angespannt und brauche auch danach mehr Zeit, um im Alltag wieder richtig präsent zu sein.

Hochsensibel im Alltag

Hochsensibilität ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Ich finde es wunderbar, tiefere Verbindungen eingehen zu können und gleichzeitig auch noch so viele Nuancen wahrzunehmen. Es ist toll, Dinge zu riechen, die nicht jeder wahrnimmt. Mein Filter hat eine geringere Kapazität im Vergleich zu vielen anderen, damit musste ich umgehen lernen. Ich bin wie ein Mensch mit eingebautem WLAN – ich empfange alle Signale, wo immer ich auch bin! Und wenn mein Speicher voll ist, muss ich mich zurückziehen, sonst platzt der Kopf! Früher ist mir das richtig schwergefallen. Hochsensiblität... davon habe ich viele Jahre gar nichts gewusst.

Meine beste Freundin, die mich seit meinem 8. Lebensjahr kennt, wundert sich regelmäßig darüber, auf welche Gedanken ich manchmal komme. „Du machst dir voll den Kopf“, ist ihre oft verwendete Ausdrucksweise, wenn wir uns unterhalten und ich ihr von meinem Gedankenstrudel erzähle. Aber da ich es nicht anders kenne, ist das meine Realität. Und ich möchte keineswegs tauschen. Auch wenn ich meinen Körper und die Außenwelt deutlicher spüre, gehe ich damit heute anders um. Meine Panikattacken, die ich viele Jahre hatte, waren wie ein Navigationsgerät – sie haben mir gezeigt, wo ich nicht lang fahren sollte. Jetzt habe ich eine genaue Karte meiner Grenzen! Heute geht es darum, früher die Handbremse zu ziehen, wenn das Auto noch nicht auf dem Berg steht. Mir reicht es auch im Tal zu sein oder drei Tage länger zu brauchen, um auf den Berg zu kommen. Den größten Fehler, den ich machen kann, ist, mich mit anderen zu vergleichen. Es sei denn, ich vergleiche mich mit einem Einhorn!

An dieser Stelle noch ein UPDATE: Seit Anfang 2024 habe ich mein neues Projekt “Einfach leben, mehr sein” ins Leben gerufen, du findest es auf www.lisa-albrecht.de. Es ist die Fortsetzung von diesem Blog, aber auf einer völlig anderen Ebene. Ich freue mich, dich dort zu sehen! Alles liebe, Lisa.

Veröffentlicht am 23. April 2023.
Lisa Albrecht
Lisa Albrecht
Gründerin & Autorin
Ich bin immer auf der Suche nach ganzheitlichen Lösungen für mehr Gesundheit und Balance im Leben. Ich liebe das Meer, veganes Vanille-Eis und unsere Erdbeeren aus dem Garten.
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