Mein Spiegel lügt nicht

Mein Auge brennt und füllt sich mit Tränen. „Keine Chance, ich muss zum Spiegel“, denke ich lustlos und krieche langsam aus dem Bett. Auf Zehenspitzen, um keinen aufzuwecken, schleiche ich ins Bad. Ein Haarmonster schaut mich im Spiegel an und schüttelt mit dem Kopf. Ich sehe zwar nur unscharf, aber diesen Gesichtsausdruck kenne ich. „Typisch ich“, lese ich in meinen Gedanken und fummel nach der Wimper, die meinen gemütlichen Morgen im kuscheligsten Bett der Welt ruiniert hat. Dankbar beruhigt sich mein Auge wieder etwas und ich nutze den Moment, um innezuhalten. Vorsichtig fahre ich über meine zerzausten Haare, die keineswegs nach einer entspannten Nacht aussehen. Neben einer Rötung sehen meine Augen auch nicht gerade ausgeruht aus. Ich seufze. In solchen Momenten frage ich mich, ob das „das Leben“ ist. Nein, nein... Ich möchte gar nicht klagen, mir geht es gut. Alles ist eine Sache des Vergleichs. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich über mein Leben beklage. Mehrere Schreckensbilder ploppen plötzlich in meinem Kopf auf und ich verdränge sie schnell wieder. Erst gestern konfrontierte ich mich bewusst mit Nachrichten, eine wöchentliche Dosis Gift sozusagen. Jeden Tag etwas Schlimmes zu erfahren und gefühlt nichts dagegen tun zu können, macht mich fertig. Aber völlig wegzuschauen ist doch auch falsch.

Neue Facetten, die altbekannt sind

Ich mustere mein Spiegelbild und ärgere mich über meine Fältchen, die sich um meine Augen herum bemerkbar machen. Keine Ahnung wann, aber dieser feste Kritiker in mir hat wohl Dauerkarten ergattert. Je älter ich werde, umso mehr bekomme ich das Gefühl, keine Zeit zu haben. Ich habe schon bald wieder Geburtstag und was habe ich geschafft? Das Jahr ist wie ein Wimpernschlag an mir vorbeigeflattert. Ich schaue mir tief in die Augen und erschrecke selbst über diese Frau, die so ernst und entschlossen wirkt. Sie ist nicht mehr die, die sie einmal war. Sie weiß, dass genau das, das Leben ist und wie jeder Film, Höhen und Tiefen hat. Wenn ich im Kino sitze, kann ich den Film auch nicht anhalten oder zurückspulen. Und wenn er vorbei ist, bleiben nur Emotionen und Erinnerungen zurück.

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Irgendwann, aber nicht jetzt

Der Blick in meinen Augen ist zweideutig. Ich merke, dass tiefe Traurigkeit darin verborgen ist. Aber auch die bittere Erkenntnis, irgendwann mit allen Kapiteln fertig zu sein. Ich sehe aber auch etwas anderes. Einen Funken, ein leichtes Aufblitzen. Wie ein Schwert in der Sonne, das ich als Schutz vor mich halte und bereit bin, in den Kampf zu ziehen. Nur gegen wen oder was möchte ich kämpfen? Gegen die Zeit? Keine Chance. Gegen mich selbst? Bei der Antwort zögere ich. Abgesehen davon, dass ich jede Art von Waffen ablehne, möchte ich auch mein symbolisches Schwert nicht einsetzen. Ich spüre einen kalten Luftzug und ein leichter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich bekomme Gänsehaut und meine Härchen stellen sich auf. Jetzt sehe ich klar, sogar ohne Brille. Ich kämpfe für alle, so wie ich kann. Mit Liebe, Zuwendung, Respekt. Mit klaren Grenzen, Aufklärung und Offenheit. Es gibt noch so viel da draußen, was auf mich wartet. Ich schenke meinem Spiegelbild ein Lächeln und ohne mich noch einmal umzudrehen, verlasse ich das Badezimmer. Mein Bett beschenkt mich mit seiner Wärme, ganz ohne Gegenleistung. Für einen kurzen Moment spüre ich, wie die Zeit doch still steht. Und wir haben einen guten Deal ausgehandelt. Jeder von uns kümmert sich einfach um seinen Aufgabenbereich. An sich doch ganz einfach, oder?

An dieser Stelle noch ein UPDATE: Seit Anfang 2024 habe ich mein neues Projekt “Einfach leben, mehr sein” ins Leben gerufen, du findest es auf www.lisa-albrecht.de. Es ist die Fortsetzung von diesem Blog, aber auf einer völlig anderen Ebene. Ich freue mich, dich dort zu sehen! Alles liebe, Lisa.

Lisa Albrecht

Gründerin & Autorin

Ich bin immer auf der Suche nach ganzheitlichen Lösungen für mehr Gesundheit und Balance im Leben. Ich liebe das Meer, veganes Vanille-Eis und unsere Erdbeeren aus dem Garten.